Deutsche und Briten, oder auch Deutsche und Iren. Zwei Völker, mit denen sich die Deutschen scheinbar bestens zu verstehen scheinen- die Weltkriege einmal außer Acht gelassen. Die Engländer erfreuen sich an unserem ähnlichen Humor, die Iren an unserem beständigen, taffen Charakter (…und unserem Humor 😀 ).
Es ist Zeit vergangen seit ich hier den letzten Eintrag verfasst habe- nicht viel Zeit, aber doch eben schon fast ein ganzer Monat. Vor vier Wochen, fast auf den Tag genau, ist der Flieger aus London gelandet, wir konnten unsere Familien und Freunde wieder in die Arme schließen und haben viel erlebt- unabhängig von einander, denn diese Zeit ist jetzt vorüber. Die Zeit, in welcher man alles teilt: Mahlzeiten, Erkältungen (ja, die teilt man unfreiwillig auch miteinander), die „Zickereien“ in Problemsituationen, Geld (nur grob behält man da den Überblick), Schmerz und Leid, aber auch Freude und Glück und, am wichtigsten natürlich, die Erlebnisse und Erinnerungen- ganz besondere Momente eben. Unsere „Aufgabe“ war es, in jeglicher Situation für den jeweils anderen da zu sein; für Egoismus ist auf dieser intensiven Reise einfach kein Platz gewesen (meistens jedenfalls nicht). Und nun, gerade als wir die besten Teamplayer geworden waren, da hob das Flugzeug ab und brachte uns wieder nach Hause, zu unseren Familien, in unser vertrautes Umfeld, in welchem wir vielleicht manchmal doch egoistischer sind, als es unseren Mamas lieb ist. Und wie ich krampfhaft versuche, nicht in alte Muster zurück zu fallen, der Welt dankbarer, offener und vorausschauender zu begegnen, bestreite ich meinen Alltag doch mehr oder weniger erfolgreich. Die Zukunftsplanung steht an- konnte ich mir nach dem Abitur mit dem Satz „erst einmal nach England“ noch ein wenig Zeit verschaffen, musste selber nicht darüber nachdenken, wo ich eigentlich einmal stehen möchte im Leben. Doch ewig kann man sich nicht darum herum drücken, irgendwann muss man Entscheidungen treffen und dieser Zeitpunkt ist jetzt gekommen. Ich möchte gerne Geschichte studieren, in der Kombination mit Politikwissenschaften oder Germanistik- mal sehen, ich muss mich ja bald entscheiden… Seit ich, aus dem Bauch heraus, den Geschichts-LK gewählt habe, empfinde ich eine unfassbare Freude, wenn ich mich mit dem Fach auseinandersetze und ohne, dass ich sagen kann warum, fühle ich mich sicher aufgehoben im Studium der Geschichte (, glaube ich zumindest). So viel zu meiner groben Zukunftsplanung, die auf jeden Fall gerade im Moment in deutlich detaillierterer Form ausgearbeitet wird. Doch soll sie gar nicht das Hauptthema dieses Artikels sein, welcher unsere Englandreise nun endgültig abschließen wird- vielleicht werde ich dieses „Reisetagebuch“ hier aber bei anderen Reisen wieder aktivieren, wer weiß.
Nach einem Monat in der Heimat, ja, eigentlich schon nach den ersten Stunden, sind mir so unglaublich viele Sachen aufgefallen, die Zuhause einfach anders funktionieren und über die möchte ich abschließend berichten. Bei diesem Artikel handelt es sich also mehr oder weniger um einen Vergleich zweier Länder, zweier Kulturen. So nah beieinander, aber Unterschiede gibt es eben trotzdem. Das Erste, was mir aufgefallen ist, direkt nachdem wir das Flugzeug verlassen hatten, war die Unfähigkeit der Deutschen, vernünftige und zügige (!!!) Passkontrollen durchzuführen. Nicht, dass ich lautstark in der Reihe darüber geschimpft hätte ( 😀 Nein, ich doch nicht)… Die elektronischen Schalter waren augenscheinlich kaputt, dies ließen jedenfalls die Schilder „nicht funktionsfähig“ verlauten, welche provisorisch an die Automaten angeklebt worden waren. Stattdessen kontrollierten zwei Zollbeamte jeden einzelnen Ausweis gefühlt zwei Minuten lang und teilten mir schließlich unnötigerweise mit, dass mein Ausweis 2015 gestohlen worden war- merkten dann aber an, dass ich ja offensichtlich einen Neuen besaß- Ach nee, danke dafür 😀 Nun fange ich an, sehr negativ über Deutschland zu berichten, das ist eigentlich nicht meine Intention! Klar, irgendwie ist man ja auch patriotisch, aber so sehr wie ich für Deutschland einstehe, so sehr habe ich auch die Briten lieben gelernt; die verrückten, manchmal etwas verquerten Briten, die aber trotzdem immer ein nettes Wort für uns auf den Lippen hatten. Nicht nur das! Dass sie dort drüben, auf der Insel, alle sehr höflich sind, ist ja schon zum Klischee geworden. Dass sich dies auch zu 100% unterschreiben lässt, scheint jedoch weniger bekannt zu sein. Noch heute werde ich von Menschen überrascht angeschaut, wenn ich mich beim Einkaufen kurz entschuldige, nur weil ich im Gang an jemandem vorbeigehe. Und ich bin dankbarer geworden, zumindest zeige ich meine Dankbarkeit mehr der Öffentlichkeit und mache mir diese dadurch immer wieder bewusst. Meine Freunde sind das alle überhaupt nicht gewohnt und haben mich auch schon darauf angesprochen: „Wieso bedankst du dich die ganze Zeit für alles was du tust?“ Doch dieses „Danke sagen“ das ist nicht einfach nur eine Floskel, ein schnell angehängtes „thanks“, das nichts bedeutet. Nein, es ist vielmehr zu einer Lebenseinstellung geworden; der Welt dankbar zu begegnen. Da ist aber noch mehr, was die Insel vom Festland unterscheidet. Der britische Humor. Obwohl wir Deutschen den Briten eigentlich in nichts nachstehen, finde ich. Im Fernsehen, habe ich das Gefühl, ist der britische Humor oft sehr platt und einfach, die Witze soll auch ja jeder verstehen. In Deutschland gibt es auch das politische Kabarett, anspruchsvoller und dadurch umso lustiger. Im Umgang untereinander sind die Briten allerdings wirklich für jeden Spaß zu haben und wenn man sich nicht gerade entschuldigt (ein kurzes „sorry“ wird da meistens eingeworfen) oder gerade dabei ist, sich zu bedanken, dann wird das Gegenüber durch einen knappen Satz eben zum Lachen gebracht. Anders kann man in England schon fast gar nicht kommunizieren. Die „essentials“, die man braucht sind „thanks“, „sorry“ und ein breites Lächeln.
So viel zu den charakteristischen Eigenschaften der beiden Länder. Doch auch das ist noch nicht alles… Großbritannien unterscheidet sich in vielen kleinen Dingen von England. Es sind Unterschiede, die man teilweise nicht einmal bemerken würde, käme man nur „auf Urlaub“ ins Land. Allgemein bekannt, ist wohl der englische Durst nach Tee. Unstillbar. Während der schwarze Tee, meist von der Marke „Yorkshire“, in wohl jedem Haushalt zu finden ist (und sei es nur der Ordnung halber), ist Früchtetee echte Mangelware, von Teesorten wie „Apfelstrudel“ und „Marzipan“ ganz zu schweigen; so etwas kennt der Engländer einfach nicht und so etwas würde er auch im Leben nicht trinken. Der schwört auf die Simplizität des herben Gebräues- meist jedoch noch optimiert mit Milch und Zucker. Nele, die ihren Tee am liebsten pur trinkt, stach da schon heraus unter all den eingefleischten Teetrinkern. Vor allem bei den Herberts in Frome hieß es morgens, mittags und auch nach dem Dinner: „Hot beverage anyone?“ oder man fragte einfach nur nach einer „cuppa“, dann war auch klar, was gemeint war. Tee ist wirklich DAS Nationalgetränk.
Auch bekannt dürften die oberirdischen Telefonleitungen sein, die sich in ländlichen Gegenden durch die Straßen winden. Heute in Deutschland unvorstellbar, hier Alltäglichkeit. Meilenweit führen sie auch zu den noch so entlegenen Häusern. Ebenso bekannt und unsinnig die Maßeinheiten der Engländer. Der weltliche Teil der Bevölkerung rechnet in Kilometern und Kilogramm, während viele jedoch die Einheiten der Meilen, Unzen und Inches bevorzugen. Beim Backen ist von „Cups“ und „measuring spoons“ die Rede und gäbe es das Internet nicht, um diese umzurechnen, wäre ich wahrscheinlich hoffnungslos verloren gewesen. Da fährt man die Straße entlang und plötzlich verkündet ein Schild, das nächste Dorf wäre 2 ¾ Meilen entfernt. Ja, hat man denn so etwas schon einmal gesehen? Ich nicht! Witzig ist einfach, dass es vielen Engländern selber auf den Geist geht und sie selber nur schwer den Überblick behalten können. Außergewöhnlich sind auch die Straßenschilder, welche verkünden, in welchen Bereichen es „rote Eichhörnchen“ gibt, die wurde nämlich von der grauen Eichhörnchenpopulation fast ausgerottet und stehen in England unter dem höchsten Naturschutz.
Genauso unverständlich wie die Beschillderung war uns die Mülltrennung. Wie lange haben wir gebraucht, um da durchzublicken… Da wäre eine Kiste (!), in welcher Glas und Papier gesammelt werden, eine Tonne mit Plastikmüll und eine weitere Kiste, in welche der „recyclebare Müll“ gehört, also Verpackungen, Milchkannen und Hundefutterdosen- doch wie behält man da den Überblick? Ich weiß nicht, wie oft wir in den Lakes unseren Müll einfach in „irgendeine Kiste“ geworfen haben, ohne zu wissen, was wo hingehörte. In Brighton wurde es schon besser und nach Canterbury hatten wir es so gut wie verstanden (nach ganzen drei Monaten), obwohl uns die Engländer immer wieder erklärten, dass auch sie nicht immer so ganz wüssten, was jetzt in welchen „Eimer“ gehören würde- drei Monate scheinen also eine gar nicht so schlechte Quote zu sein.
Dass Alkohol eine Lebenseinstellung der Briten ist, zeigen nicht nur die zahlreichen Bierfestivals. In Frome gab es jeden Abend ein Glässchen Rotwein, Sherry, Cider oder Whisky, bei unseren Weihnachtseinkäufen staunten wir nicht schlecht, als wir Spirituosen-Adventskalender im Supermarktregal entdeckten, welche neben den Geschenkesets plaziert waren, in welchen sich zum Beispiel eine Flasche Whisky, das entsprechende Glas und Schokolade befanden- hier doch eher exotisch, in England und Irland eine Normalität. Wenn es für die Jugend nach genügend Alkoholkonsum Zuhause dann in die Clubs geht, wird es für die Ausstehenden erst richtig interessant, denn die Bekleidung der Mädchen ist extrem auffällig- und extrem dürftig. Ich erinnere mich noch gut an unseren ersten Clubbesuch in Brighton und den Moment als uns bewusst wurde, dass es normal war, bei 10°C Außentemperatur im bauchfreien Top und Minirock und mit zehn Tonnen Make-up im Gesicht, aber ohne Jacke herumzulaufen- da waren wir schon froh, dass wir immerhin Sweatshirtjacken trugen… Doch nicht nur die Feieroutfits der Briten sind außergewöhnlich luftig, generell wird man auch im tiefsten Winter immer noch Menschen treffen die a) Sandalen tragen (die Zehen sind wahrscheinlich abgestorben) b) ohne oder nur mit einer ganz dünnen Jacke bekleidet herumlaufen oder c) kurze Hosen tragen. Und Letzteres haben wir wirklich oft gesehen! Brrrr!
Was wäre da noch Nennenswertes? Vielleicht das Kissenproblem, welches sich mir in jedem einzelnen Haushalt stellte. Die Engländer haben nämlich nicht nur ein Kissen in ihrem Bett liegen, sondern zwei. Ich weiß nicht, ob das gesamte Volk einen zu langen Hals hat, nein, ich weiß nur eins und zwar, dass mein Hals definitiv zu kurz ist und ich morgens mit verspanntem Nacken aufwachte, wenn ich doch einmal einen Versuch unternahm, auf zwei Kissen zu schlafen. Das zweite Kissen flog also jedes Mal in hohem Bogen aus dem Bett… Auch kennen es die Engländer nicht, dass in einem Doppelbett zwei Plumeaus liegen. In einem Video sah ich neulich Engländer, die nach Deutschland kamen und diese in einem Doppelbett vorfanden- sie verstanden die Welt nicht mehr. Für uns stellte das „Decke teilen“ allerdings kein so großes Problem dar, war in Frome doch unsere Heizung kaputt und wir waren froh uns irgendwie gegenseitig wärmen zu können ( obwohl, manchmal gab es schon einen Kampf um die Decke, insbesondere, wenn Border Collie Panda zwischen uns Platz finden wollte).
Aber im Großen und Ganzen lief doch immer alles glatt, von besagten morgendlichen Kämpfen einmal abgesehen. Ich bin unfassbar froh, dass ich die Reise mit Dir, Nele, gemacht habe und meine es ehrlich, wenn ich schreibe, dass es wohl keine bessere Reisegefährtin als dich gegeben hätte (und auch immer noch gibt). (Ich hoffe, du nimmst mich mit nach Asien!) Mögen unsere Charaktere noch so unterschiedlich sein, wir haben diese Reise zusammengemeistert, mit allen Probleme (okay, ehrlich gesagt gab es keine Probleme 😀 ) und Stresssituationen (keine Ahnung, hatten wir je eine?), haben zusammen unvergessliche Erinnerungen kreiert! Für jede Freundschaft ist so eine Reise einen Zerreißprobe, die wir wahnsinnig gut überstanden haben. Danke dafür!!! Ich vermisse es wirklich, mit dir zusammen meinen Alltag zu bestreiten. Ich vermisse unsere mehrstündigen Bus- und Zugfahrten durch die Weiten der schottischen Highlands oder die sanften Hügel Irlands, auf dem Weg zu den „culchies“. Also sag Bescheid, wenn du wieder deine Koffer packst, ich stehe parat!
Den treuen Lesern und auch denen, die hinzukommen, möchte ich abschließend dafür danken, dass ihr unsere Reise mitverfolgt habt- ich hoffe, auch ihr konntet von diesen „Tagebuchenträgen“ irgendeinen Nutzen tragen- und sei es nur etwas Entspannung nach einem anstrengenden Tag…
Fühlt euch gedrückt!
Vielleicht bis bald!
Eure Lara